Als Fehnkultur (Video) bezeichnet man die Kolonisierung und Besiedlung der Moore entlang großer Entwässerungskanäle, die gleichzeitig zum Abtransport des Torfes mittels Kähnen dienten.
Papenburg als älteste deutsche Fehnsiedlung (Moorhufendorf) wurde 1630 gegründet. 3 Jahre später entstand Großefehn als erste ostfriesische Fehnsiedlung.
Die Lebensbedingungen der ersten Siedler (Fehntjer) waren durchweg erbärmlich. Zur Wohnung dienten zunächst nur primitivste Hütten aus Torfplacken und die Nahrungsversorgung blieb auf wenige Komponenten beschränkt. Nachdem aber die erste Not überstanden war, verstanden es die Bewohner, ihre Wirtschaftsgrundlage auszubauen, und die Fehnsiedlungen erlebten in der Folgezeit einen merklichen Aufschwung. Das geflügelte Wort "Den Ersten sien Doad, den Tweten sien Not, den Dridden sien Broad" soll aus der Zeit der Fehnbesiedelung stammen.
Im Jahre 1630 erwarb Dietrich von Velen für 1500 Reichstaler die unmittelbar an der Grenze des Stifts Münster zu Ostfriesland gelegene, weitgehend verfallene Papenburg. Diese schien kaum ein geeignetes Objekt zur Vermögensanlage zu sein. Die zur Burg gehörenden Wiesen boten allenfalls Weidemöglichkeiten für 18 bis 20 Kühe. Entscheidend für den Kaufentschluß waren aber die Rechte der Papenburg auf das umliegende Moor.
Während im Mittelalter die Moore im allgemeinen nur im Raubbau genutzt wurden, indem man z. B. in Trockenzeiten die obere Torfschicht abbrannte, um in die gewonnene Asche Buchweizen einzusäen, hatten sich im 16. Jahrhundert in den Niederlanden die sogenannten Fehnkolonien entwickelt.
Das neue Verfahren der Kultivierung nutzte das Moor in doppelter Weise. Der systematisch abgestochene Torf konnte als Brennmaterial verkauft werden. Außerdem stand dann die gewonnene Fläche für die landwirtschaftliche Nutzung zur Verfügung.
Es ist nicht belegt, ob Dietrich von Velen diese Fehnkolonien aus eigener Anschauung kennengelernt oder ob er nur durch Erzählungen von ihnen erfahren hatte. Fest steht lediglich, daß er die Fehnkolonie Wildervank (südöstlich von Groningen) zum Vorbild nahm. Dorthin entsandte er eigens einen Beauftragten, der ihn zu informieren hatte, wie breit die Fahrt (der Kanal) und die sogenannte "Wiecke", d. h. die jedem Kolonisten am Kanal zuzuweisenden Abschnitte, zu sein hatten und welche Abgabenlasten in den Niederlanden den Kolonisten auferlegt worden waren. Die in Wildervank erfahrenen Daten bildeten für Dietrich von Velen die Richtschnur.
Bevor mit dem Torfstechen begonnen werden konnte, mußten eine Reihe von Vorleistungen erbracht werden. Die wichtigste Vorbedingung, um die "Venne beneficieren" zu können, war das Vorhandensein einer Infrastruktur. Das erforderte also das Graben eines Kanals. Dieser hatte einmal die Aufgabe, das Wasser aus dem Moor abzuleiten, um überhaupt Torf stechen zu können. Zum anderen sollte er aber auch als Verkehrsweg für den Abtransport des Torfs dienen.
Diesen Kanal ließ Dietrich von Velen in wenigen Monaten durch Lohnarbeiter erstellen. Da die Papenburg einige Kilometer von der Ems entfernt war, musste die neue Wasserstraße durch das Gebiet einer anderen Gemeinde geführt werden. Daher wurde es nötig, den entsprechenden Grund und Boden von den benachbarten Bauern zu erwerben. Einen weiteren größeren Kostenfaktor bedeutete schließlich die Anfertigung von zwei Verlathen, durch die das aus dem Moor abfließende Wasser in die Ems geleitet werden konnte. Während sich in den Niederlanden für die Aufbringung des für die Anlage von Fehnkolonien nötigen Kapitals Gesellschaften gebildet hatten, so u. a. von Bürgern von Amsterdam und Groningen, hatte Dietrich von Velen bei seinem Werk das unternehmerische Risiko allein zu tragen.
Dietrich von Velen sah sich am Ziel seiner Wünsche, als ihn der Bischof Christoph Bernhard am 7. Februar 1657 nicht nur mit dem Gut Papenburg, sondern auch mit "hoher Gericht- und Herrlichkeit über Hals und Bauch" belehnte, ihm bzw. den Siedlern die Exemtion von der münsterischen Landschatzung und der Akzise zugestand und das Recht zur Errichtung einer Kirche gewährte.
Dietrich von Velen konnte nicht ahnen, dass 150 Jahre nach seinem Tode um 1800 von dem im Binnenland gelegenen münsterschen Hafen Papenburg durch den auf seine Veranlassung angelegten Kanal Schiffe auslaufen würden, um von Königsberg bis nach Bordeaux zu fahren. Mitte des 19. Jahrhunderts sollte deren Kurs sogar nach Südamerika führen. Die Schifffahrt blieb freilich in der Geschichte Papenburgs nur eine Episode. An sie erinnern heute noch z.B. die Meyer-Werft, auf der bis heute Hochseeschiffe gebaut werden. Keine der Ende des 16. Jahrhunderts bzw. im 17. Jahrhundert in den Niederlanden oder in Ostfriesland angelegten Fehnkolonien kann ein ähnliches Wachstum wie Papenburg verzeichnen. Die mitten im Dreißigjährigen Krieg durch Dietrich von Velen angelegte Siedlung zählt heute als Stadt etwa 35.000 Einwohner.